Freitag, 11. November 2016

Rezension: Abbitte - Ian McEwan

| Ian McEwan |

Verlag: Diogenes 2004
Seiten: 544 
ISBN: 9783257233803 

MEINE BEWERTUNG 

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Abbitte

Im Sommer des Jahres 1935 geht mit der 13jährigen Briony die Fantasie durch. Schon länger liebt sie es, Situationen für ihre schriftstellerischen Ambitionen auszuschmücken, doch wer hätte gedacht, dass die Vorstellungen eines jungen Mädchens das Leben ganzer Familien prägen kann?


Briony wächst in einer wohlhabenden Familie auf. Im Sommer sind Gäste nicht rar und in der erdrückenden Schwüle gehen die Gemüter durch. Was treibt Robbie Turner mit ihrer Schwester am Brunnen und warum haben sie in der Bibliothek so schrecklich gekeucht? Brionys Gerechtigkeitssinn entgeht keine Regung und so nimmt sie die Situation selbst in die Hand.

Ian McEwans „Abbitte“ ist sicher kein Buch für Zwischendurch. Feinfühlig geht er dem Gemüt eines jungen Mädchens auf den Grund: Briony, die sich jetzt schon als großartige Schriftstellerin sieht, allerdings ihre Cousins bespaßen muss, obwohl sie sich viel lieber ihren Interessen widmen will. Sie interpretiert gern ein bisschen zu viel in Situationen hinein, und glaubt nicht daran, dass auch sie falsch liegen kann.


Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil ist Briony die Hauptfigur, jedoch kommen auch andere Beteiligte zum Zug. Der Autor führt behutsam in die Familienverhältnisse ein, zeigt, wer wie zu wem steht und warum es sich so zugetragen hat. In diesem Abschnitt geht er meinem Geschmack nach viel zu sehr auf Details der einzelnen Figuren ein, wobei sich aber genau daraus eine unbeschreibliche Tiefe der Charaktere ergibt. 


Im zweiten Teil ist der Leser im Kriegsgeschehen in Frankreich unterwegs, wobei hier weder geschönt noch geschont wird. Zwar handelt es sich teilweise auch im eine etwas zu detaillierte Passage, allerdings zeigt Ian McEwan, wie schrecklich der Krieg ist und verweist darauf, was die Soldaten gerade noch so am Leben hält.


Im abschließenden dritten Teil findet man sich in einem britischen Krankenhaus wieder, wie man es in der Realität niemals erleben will. Den Krieg hat man hinter sich gelassen, aber wird brutal mit seinen Konsequenzen konfrontiert. Diesen Abschnitt habe ich als sehr intensiv empfunden, und er hat mich richtig aufgewühlt. Hier hat es der Autor geschafft, mich direkt in die Situation zu versetzen, die nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.


Der Handlung selbst stehe ich zwiegespalten gegenüber. Obwohl es eine markerschütternde Geschichte ist, hätte sie wohl schneller erzählt werden können. Gerade die Darstellung einzelner Familienmitglieder im ersten Teil, fand ich etwas mühsam zu lesen, obwohl es für das Verständnis wahrscheinlich notwendig war.


Mit dem Ende muss man wohl einfach leben lernen, denn es hat wirklich weh getan. Ich weiß nicht so recht, wer hier tatsächlich Abbitte geleistet hat, ob es der Leser, eine der Figuren oder gleich eine ganze Familie war. Ich weiß nur, dass es mich lange Zeit weiter beschäftigt hat, was meiner Ansicht nach für das Buch zu werten ist.


„Abbitte“ ist eine starke Familiengeschichte mit pikanten Details, die bis in den Krieg und den daraus resultierenden Konsequenzen reicht, zwar mit seinem ausschweifenden Stil mühsam, aber am Ende auf seine eigene Art lohnenswert ist. 

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MEINE BEWERTUNG


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8 Kommentare:

  1. Hallo Nicole,

    puhhh das klingt nach hartem Tobak im Sinne des Krieges. Zumindest wirkt es so, als würde diese ungeschönt in all seiner Härte beschrieben werden. :(

    Und trotzdem hast du mich irgendwie neugierig gemacht und auch wenn der erste Teil Längen hat, entschädigt die besondere Tiefe der Charaktere das doch irgendwie.

    Danke für den Eindruck!

    Alles Liebe,
    Anna

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    1. Hallo Anna,

      es ist auf jeden Fall ein besonderes Buch, aber sicher nichts, was man zwischendurch wegliest. Ich bin froh, dass ich es mit Hibi und Insi gemeinsam in einer Leserunde angegangen bin. Manche Szenen bannen, andere sind zum Einschlafen. Aber wenn Interesse besteht, sollte man sich trauen.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  2. Hallöchen! :)
    Dieses Buch habe ich vor Ewigkeiten gelesen und muss sagen, dass ich es leider gar nicht mehr so präsent vor Augen habe. Aber wie du war ich auch sehr überzeugt davon und fand es wirklich gut. McEwan hat einen ganz besonderen Schreibstil, der sehr eindringliche Bilder vermittelt und teilweise ganz schön krass ist. Wie du ja auch schreibst :)

    Liebe Grüße
    MelMel

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    1. Hallo MelMel,

      eindringlich - das ist genau das richtige Wort. Einerseits ist es total zäh zu lesen, andrerseits auch sehr, sehr aufwühlend und man hat ganz schreckliche Bilder im Kopf. Und das Ende lässt mich noch immer fassungslos zurück ...

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  3. Guten Morgen Nicole,

    ich habe zur Zeit eine leichte Neigung zu Büchern, die einen mit dem Unvorstellbaren konfrontieren, von daher klingt "Abbitte" für mich tatsächlich sehr interessant. Mein erster McEwan war "Kindeswohl" und ich lauere darauf, dass meine Bücherei endlich den neuen, "Nussschale", einarbeitet. Aber vielleicht landet dieser hier auch mal auf meinem näheren Radar :)
    Danke für die Rezension und ein schönes Wochenende <3
    Ivy

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    1. Hallo Ivy,

      also, ich glaube, dann ist dieses Buch wirklich etwas für dich und wenn du den Stil von McEwan kennst, dann kannst du bestimmt auch gut damit umgehen. Schön, dass du es im Blick hast.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  4. Du hast dich echt an eine Rezi getraut, Respekt ;D. Ich war dafür eindeutig zu verwirrt (immer noch, obwohl es ja nun schon eine Weile her ist, seit wir es gelesen haben) und hätte das niemals so schön zusammenfassen können wie du.

    Liebe Grüße
    Insi Eule

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    1. Das ist ja lieb von dir. :D Ich schreibe halt einfach, was ich mir denke ... Es war schon ein sehr merkwürdiges Buch, aber hatte doch auch seine Qualitäten.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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